teammedia-Verlag, Leseproben

46 über den jetzt beginnenden freien Fall in den tür- kisfarbenen Wildbach hinunter! Kaum hab ich die praktische Anwendung des newtonschen Gravita- tionsgesetzes verhindert, öffnet sich vor mir ein Höllentor. Jedenfalls kommt mir der Tunnelein- gang so vor. „Fahrt in die Hölle“, hat es zu mei- ner Jugendzeit an der Kasse einer Geisterbahn am Jahrmarkt geheissen. Klappernde Knochengerippe können in dieser Finsternis die zwei 6-Voltlater- nen nicht ausmachen. Der Spuk ist rasch vorbei. Grelles Licht empfängt uns auf der Brücke, dem tiefsten Punkt der D10. Seit 1947 ist sie wieder aufgebaut, nachdem sie französische Partisanen im Kampf gegen die Deutschen gesprengt haben. Ein kleiner Ausstellplatz ermöglicht uns auszusteigen und einen Blick in die Tiefe zu riskieren. Doch nur für kurze Zeit. Kaum angefahren, verschluckt uns ein weiterer Tunnel. Dann folgt eine Kurve nach der andern, rhythmisch in die senkrechten Felsen gesprengt. Von weitem ist bereits das hochgelege- ne Dorf Aiglun zu sehen. Wieso ich diese Strecke kenne? Die Rallye Monte Carlo hat mich 1983 durch die Clue d’Aiglun geführt. Konzentration pur! Den Blick in die Tiefe haben wir während der Rekognoszierung gewagt und im „Gebetbuch“ mit grossen Ausrufzeichen vermerkt 1911 wurde die Rallye Monte-Carlo von geschäfts- tüchtigen Hoteliers in Monaco erfunden. Keiner ahnte, dass dies die berühmteste, skandalträchtigs- te Rallye der Welt werden sollte. Noch bewegten sich die abenteuerlustigen Herrschaften in ihren defektanfälligen Limousinen und Cabriolets recht gemütlich aus allen Richtungen Europas ins Fürs- tentum, um dort im Casino ihrer eigentlichen Leidenschaft „à la Roulette Française“ zu frönen. 1924 wurde in den Alpes Maritimes erstmals eine Schlaufe über den Col de Braus gefahren. Auch Elektronische Hilfsmittel sind nicht gefragt – aber Eigenverantwortung!

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